Takwe Kaenders erhielt 1989 ihre staatliche Anerkennung als Erzieherin am Pestalozzi-Fröbel-Haus. An der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle studierte sie in der Fachrichtung Metall/Email. Ihr Studium schloss sie im Jahr 2001 mit dem Diplom ab. Kaenders ist ehrenamtlich im Rothener Hof e. V., im Landesverband Kunsthandwerk Mecklenburg-Vorpommern e. V. und im Denkmal-Kultur-Mestlin e. V. tätig und arbeitet als Kulturvermittlerin und Kuratorin. Seit zwei Jahren ist sie Mitglied im Salve e. V., einem Verein zur Förderung interkultureller Bildung und Kunst. Nach wie vor stellt sie viel im In- und Ausland aus.
Kontakt: www.takwe.de
EINBLICKE IN DIE PRAXIS von Takwe Kaenders
„ZWISCHENUNS“
Während unseres Zertifikatskurses KÜNSTLERISCHE INTERVENTIONEN IN DER KULTURELLEN BILDUNG gründeten wir – sieben bildende Künstler_innen – das Kollektiv K!. Wir entwickelten für die Documenta15 eine T-Shirt Aktion für alle Kommiliton_innen. Ich entschied mich, die T-Shirt Aktion als Praxisprojekt mit dem Verein Rothener Hof durchzuführen, denn ich stellte mir seit einiger Zeit die Frage, was unseren Verein aktuell ausmacht.
Das indonesische Kollektiv RUANRUPA, das die Documenta15 organisierte, hat Regeln
entwickelt, nach denen die Gruppe in ihrem Kollektiv arbeitet und lebt. Diese WORTE
UND WERTE, wie sie es nennen, habe ich meine Definition vom Rothener Hof gegenüber gestellt.
Seit zwanzig Jahren gibt es den Verein, bei dem ich Gründungsmitglied und im Vorstand
bin. Am Anfang stand die gemeinsame Aktion an erster Stelle, doch im Laufe der Jahre hat sich unser Zusammensein zunehmend individualisiert und das Miteinander ist eingeschlafen.
Mit der T-Shirt Aktion der K! Gruppe wollte ich den Verein wieder “in Bewegung“ bringen. 16 Vereinsmitglieder folgten meiner Einladung zum Frühstück, das schon der erste Teil meiner Aktion war. Zusammentreffen und nicht über den Verein reden, um dann miteinander in Aktion zu gehen. Als ersten Schritt sollten sie die T-Shirts an den Nähten aufschneiden. In meiner Emailwerkstatt hatte ich die Arbeitsmaterialien bereit gelegt, mit denen sie dann ihre T-Shirts individuell gestalten konnten, um sie anschließend zu einem großen Teppich zusammen zu binden.
Als wir fertig waren, bemerkten wir, dass ein T-Shirt fehlte. Die Mitte war frei. Wir
versuchten, ein noch ungestaltetes T-Shirt einzuarbeiten. Es war aber zu klein. Wir
überlegten weiter, bis jemand begann, das Loch mit Garn und Strick zuzuweben. Diese
Idee wurde begeistert aufgenommen, denn sie drückte bildlich aus, was wir wollen: ein
Netzwerk, das viele Sachen ermöglicht und Menschen verbindet.
Dann hoben alle eine Ecke des Teppichs auf, trugen das nun gemeinsame Werk in den Garten und schlüpften in ihre jeweiligen T-Shirt Öffnungen. Als erstes kam die Aussage:
Warum stehe ich denn so weit von Person X entfernt.
Aber es geschah nichts.
Ich stellte die Frage, die ich für unseren Verein am wichtigsten finde: was bewegt ein Kollektiv?
Aber es geschah nichts.
Niemand bewegte sich. Für mich war diese Situation entscheidend. Denn den Mitgliedern wurde bewusst, dass es ein Zusammenspiel gibt zwischen der Aktion und ihrer Rolle, die sie im Verein ausfüllen oder auch nicht. Es fehlte das, was ein Kollektiv ausmacht: die gemeinsame Aktion. Stattdessen wurde es ihnen in ihrem T-Shirt Ausschnitt zu eng.
Als ein Wind über den Teppich fegte, zog eine Teilnehmerin ihr T-Shirt aus und hielt es mit ausgestrecken Händen über den Kopf. Alle machten es ihr nach. Eine Aktion, die symbolhaft ist für unseren Verein hat alle sofort mitgerissen: ein Dach über dem Kopf, Vieles ist möglich für Alles offen. Die Aktion hat unser Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt und der Wunsch, gemeinsam in Bewegung zu gehen, ist erneut geweckt worden.
Auf unserem nächsten Vereins-Stammtisch zeigte sich, dass die Intervention dazu
beigetragen hat, besser miteinander ins Gespräch zu kommen. Auch den sonst Ruhigeren wurde Raum gegeben. Darauf hat nicht nur die Gesprächsführerin geachtet, sondern alle zusammen. Auch wurden einige aktiv nach ihrer Meinung zu den besprochenen Themen gefragt. Als wir zur Planung unseres Markttages kamen, den sonst zwei der Mitglieder organisierten, meldeten sich jetzt sieben Vereinsmitglieder für die Organisation. Endlich wurde Verantwortung auf mehr Hände verteilt. Ein Schritt in die Richtung, die ich mir durch mein Projekt gewünscht habe. Ich bin sehr gespannt, wie sich meine Erfahrungen aus dem Zertifikatskurs in unseren Ideen und deren Umsetzung in die Praxis bewähren. Es bleibt ein Forschen, das immer seine Richtung ändern kann.
otto mops – Lautmalerei
Mein wichtigstes Anliegen in diesem Projekt war, Kinder mit dem Gedicht „ottos mops“ von Ernst Jandl an Lyrik heranzuführen und ihnen vor allem die Lust an und auf Sprache zu vermitteln. Sprache konnte im Projekt mit allen Sinnen entdeckt und ganz im Sinne Jandls weiterentwickelt werden. Die Originalität und Einzigartigkeit seiner Gedichte ermöglichen den Kindern einen kreativen Zugang zu Sprache. Diese wandelt sich im Zuge von Aktivitäten wie Tanzen, Rappen, Rollenspiel und Lautmalerei zu Gefühl und Klang und haptischen Erlebnissen. Sprache wird mittels kreativer Interaktionen und Ideen der Kinder zu mehr als einem Verständigungsmittel; sie ist nicht mehr nur hörbar, sondern auch sicht-, fühl- und wandelbar.
Was haben Sie aus diesem Projekt für Ihre künstlerische Arbeit mitgenommen?
Dass es möglich ist, spontan Inhalte so anzupassen und umzugestalten, dass sie für Kinder und Jugendliche in genau diesem Augenblick richtig sind.
Welches Thema taucht in Ihrer künstlerischen Arbeit immer wieder auf?
In meiner künstlerischen Arbeit tauchen die Themen Durchbrüche und Öffnungen immer wieder auf.
Was möchten sie mit ihrer kulturellen Bildungsarbeit bewirken?
Es wäre schön, eine Visionärin zu sein, die durch kulturelle Bildungsarbeit Menschen befähigt, einen individuellen Begriff von Freiheit durch die Kunst zu finden und zu erfahren.
Was macht für Sie eine künstlerische Intervention in der Kulturellen Bildung aus?
Eine künstlerische Intervention in der Kulturellen Bildung ermöglicht es uns, Räume, Gedanken und Freiheiten zu öffnen. Das wäre in einem starren Frontalunterricht gar nicht erst möglich.